Seit einigen Jahren steigt das Bewusstsein vieler Unternehmen hinsichtlich der Bedeutung einheitlicher Terminologie in einem immer komplexer und globaler werdenden Arbeitsumgebung stetig an. Neue Qualitätsvorgaben, Normen, Richtlinien und Gesetze verlangen zudem eine klare und unmissverständliche Ausdrucksweise. Hinzu kommen finanzielle Aspekte, sowohl bei der Produktion von beispielsweise Technischer Dokumentation, als auch später bei deren mehrsprachige Vervielfältigung. Im Zuge der Globalisierung erleben wir heute mehr und mehr Fusionen und Übernahmen, die unweigerlich eine Terminologieangleichung der beteiligten Unternehmensteile zu Folge haben.

Dieses Bewusstsein entsteht meist zuerst auf Abteilungsebene und wird von einzelnen Mitarbeitern in die Tat umgesetzt – in der Regel aus der Not heraus, ad-hoc-mässig und in Eigenregie. Meistens sind es Mitarbeiter der Technischen Redaktion, die sich der Herausforderung „Terminologiearbeit“ stellen. Dabei kann es vorkommen, dass in einem Unternehmen mehrere Personen aus unterschiedlichen Abteilungen, völlig unabhängig voneinander, ganz individuelle „Wörterlisten“ anlegen, die sie persönlich oder höchstens in der eigenen Abteilung verwenden. In einem fortgeschritteneren Stadium gibt es unter Umständen einen quereingestiegenen Terminologiebeauftragten im Unternehmen. Die Erfahrung zeigt, dass bestimmte Probleme auftauchen, wenn die Terminologiearbeit auf die leichte Schulter genommen wird. In einigen Fällen kann es auch zu einem Unterbruch oder Neubeginn kommen, wenn zuvor zu viele Fehler gemacht wurden.

Was bedeutet nun aber „die Terminologiearbeit auf die leichte Schulter nehmen“? Welches sind die typischen Stolperfallen?

Allgemein kann man sagen, dass Terminologiearbeit ein Dauerprozess ist und kein auf eine bestimmte Zeit zu begrenzendes Projekt. In der Regel und je nach Umfang der Terminologie, kann es sein, dass das erste bis das dritte oder vierte Jahr sehr arbeitsintensiv sind, danach aber die Arbeits und Aufwandskurve abnimmt und auf einem niedrigen Niveau weiterverläuft. Darüberhinaus ist zu bedenken, dass es hierfür kein Standard-Konzept gibt.

Einige typische Stolperfallen der Terminologiearbeit werden im Folgenden in vier Kategorien unterteilt: Strategie, Methode, Werkzeuge, Personen

Strategie:

Stolperfalle 1: Arbeiten ohne Konzept, ohne Prozessdefinition, ohne Leitfaden!

Empfehlung: Wie in allen anderen Projekten des Unternehmens sollten Sie zunächst eine Ist-Analyse vornehmen, Ihre Bedürfnisse und Ziele festlegen und ebenso unterschiedliche Prozesse wie Termgewinnung und Terminologievereinheitlichung definieren. Für den weiteren konsequenten Arbeitsverlauf ist ein Leitfaden nicht wegzudenken.

 

Stolperfalle 2: Terminologiearbeit aus einer Abteilung heraus auf das gesammte Unternehmen ausweiten wollen – ohne Rückhalt des Mid-Managements oder der Geschäftsleitung.

Empfehlung: Selbstverständlich entsteht das Bedürfnis zuerst bei einzelnen Mitarbeitern. Das Ziel sollte jedoch sein, mit greifenden Argumenten (juristische, wirtschaftliche, qualitative, strategische etc.) die Geschäftsleitung für sich zu gewinnen, damit die Durchsetzung einer einheitlichen Terminologienutzung im Unternehmen auch wirklich gelebt werden kann – als Vorgabe von oben. Vorher ist es empfehlenswert, möglichst viele Kollegen, vor allem wichtige Entscheidungsträger wie den QS-Leiter ins Boot zu holen, die eventuell das Projekt beim Management anbringen können.

 

Stolperfalle 3: Das Konzept eines anderen Unternehmens kopieren zu wollen, weil: ähnliche Produkte, gleiche Branche, gleiche Anzahl Mitarbeiter…

Empfehlung: Vergessen Sie nie, dass Ihr Unternehmen trotz aller Ähnlichkeit zu anderen, ganz indviduell funktioniert und Sie die Eigenheiten (Organisation, Unternehmenskultur, Schnittstellen, Sprachen, Ländervertretungen, Lieferanten, Produktion, Kundenbedürfnisse etc.) Ihres eigenen Unternehmens berücksichtigen müssen.

 

Stolperfalle 4: Terminologiearbeit an unterschiedlichen Stellen im Unternehmen parallel durchführen – Silo-Denken.

Empfehlung: Eine inkonsistente Terminologienutzung, die Vermeidung von Kommunikationsproblemen, überflüssigen Übersetzungskosten etc. vermeiden Sie, in dem Sie die Terminologie zentral standardisieren. Hören Sie sich im Unternehmen um, wer sonst Terminologiearbeit betreibt und tun Sie sich zusammen. Vereinte Kräfte erreichen schneller und effizienter das Ziel.


Stolperfalle 5:
Von Null auf 100 gehen zu wollen. Zu grosse Schritte auf einmal nehmen.


Empfehlung:
Machen Sie kleine Schritte. Falls Sie zum Beispiel noch nie Terminologiearbeit durchgeführt haben und keine grosse Erfahrung haben, ist es empfehlenswert, zunächst eine kleine Menge Begriffe in einer Excel-Liste zu definieren, anstatt sofort eine grosse und teure Datenbank zu anzuschaffen. Lassen Sie sich mit grossen Entscheidungen Zeit und arbeiten Sie stattdessen an ein nachhaltiges Konzept.

Methode:

Stolperfalle 6: Benennungsorientiert arbeiten, dabei reine Wörterlisten ohne Begriffserklärung (Definition) anlegen.

Empfehlung: Ziehen Sie eine begriffsorientierte Terminologiearbeit vor, worin der Sachverhalt mit einer Sachverhaltsdefinition im Mittelpunkt steht. So vermeiden Sie in Ihrem TVS (Terminologieverwaltungssystem) beispielsweise Dubletten, Synonyme und falsche Übersetzungen. Es gibt Sprachen, die viele Homonyme (ein Wort – mehrere Bedeutungen) enthalten. Vor allem dann sind Ihre Übersetzer auf Definitionen angewiesen.

 

Stolperfalle 7: Synonyme grosszügig erlauben.

Empfehlung: Vermeiden Sie Synonyme, wo es nur geht. Nur so erreichen Sie eine konsistente Unternehmensterminologie. Erlaubte Synonyme sollten eine Ausnahme sein und eine nähere Information (Anmerkung in der TVS) erhalten, warum und wann sie erlaubt sind.

 

Stolperfalle 8: Unerwünschte bzw. verbotene Wörter nicht aufnehmen, um vermeintlicherweise Aufwand zu vermeiden.

Empfehlung: Nehmen Sie unbedingt auch diese Wörter im TVS auf, damit Sie später bei der Texterstellung danach suchen und durch die Vorzugsbenennung ersetzen können.

 

Werkzeuge:

Stolperfalle 9: Unterschiedliche Abteilungen setzen unterschiedliche TVS ein.

Empfehlung: Auch hier gilt zentralisieren statt diversifizieren. Vermeiden Sie ausserdem unnötige Kosten, in dem Sie aneinander vorbei arbeiten, statt gemeinsam!!!

 

Stolperfalle 10: Mitarbeiter haben keinen Zugriff auf die vereinheitlichte und freigegebene Terminologie im TVS.

Empfehlung: Nutzen Sie das Intranet oder eine Weblösung, um allen Mitarbeitern einen Zugriff auf die Inhalte des TVS zu gewähren. Nur so können Sie erwarten, dass die Verwendung vereinheitlicht wird. Ausserdem sollten Sie alle Mitarbeiter schulen, damit sie mit dem Werkzeug umgehen können.

 

Stolperfalle 11: Keine automatisierten Werkzeuge zum Überprüfen der Terminologieverwendung.

Empfehlung: Sorgen Sie so schnell wir möglich dafür, dass die Mitarbeiter bereits beim Verfassen von Texten ihre Wortwahl auf terminologischen Unternehmensvorgaben prüfen und korrigieren können. Es gibt eine ganze Reihe kleine und grosse Werkzeuge hierzu – als Plug-In oder integriert in autorenunterstützenden Werkzeuge.

 

Stolperfalle 12: TVS kaufen, ohne die Systemvoraussetzungen und bestehenden und künftigen Schnittstellen und Prozesse zu evaluieren.

Empfehlung: Vor jedem Einkauf eines Werkzeugs sollten Sie ein Pflichtenheft anlegen und erst danach eine Werkzeug-Evaluation und die Anschaffung und Implementierung des Werkzeugs durchführen.

 

Personen:

Stolperfalle 13: Die notwendigen Kompetenzen eines Terminologen missachten (sprachlich, fachlich, sozial).

Empfehlung: Haben Sie nicht die Ressourcen, um einen ausgebildeten Terminologen mit den notwendigen Kompetenzen einzustellen, achten Sie darauf, dass die quereinsteigende Person zumindest die sprachlichen und sozialen Kompetenzen eines Terminologen mitbringt. Sorgen Sie dafür, dass die Person mindestens eine Kurz-Schulung oder prozessbegleitend einen Trainer erhält.

 

Stolperfalle 14: Es gibt keine fixen Rollen und Verantwortungen. Jeder arbeitet je nach Zeit und Bedarf ein bisschen am Terminologieprojekt.

Empfehlung: Definieren die Rollen und Verantwortungsgebiete und teilen Sie diese bestimmten Personen zu. Vorallem der Chef-Terminologe und die Freigeber sollten im Unternehmen öffentlich bekannt sein und ihr Wort muss (von der Geschäftsleitung) Gewicht erhalten.

 

Stolperfalle 15: Mitarbeiter wissen nicht, dass im Unternehmen Terminologiearbeit betrieben wird und/oder wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen oder haben keine Möglichkeit, ihr Wissen in die Terminologiearbeit einfliessen zu lassen.

Empfehlung: Informieren Sie alle Mitarbeiter recht früh über den Vorgang des Terminologieprozesses. Laden Sie sie ausserdem ein, Termkandidaten vorzuschlagen (mit Schulungen/Anleitung) und binden Sie besonders erfahrene Mitarbeiter als Freigeber für bestimmte Produktgruppen oder im Terminologiegremium (Schiedsstelle) ein.